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Istrien Ethnographie (1863)
[Source: Istrien. Historische, Geographische und
Statistische Darstellung der Istrischen Halbinsel, nebst den
Quarnerischen. Lit Art. Abtheilung des
Österr. Lloyd
(Triest, 1863), III Ethographie, p.
145-170.]
- Allgemeine
Bemerkungen
- Die Slaven
- Die Tschitschen
- Romanische
Colonie
- Italienische
Südistrianer
- Peroieser
- Sprache
- Religion
- Physische
Beschaffenheit und Charakter der Einwohner
- Nahrung
- Sitten
- Volkstrachten
1. Allgemeine Bemerkungen.
Was die Racen und Sprachen in Istrien anbelangt, sind die
Forschungen noch nicht so weit gediehen, meint Dr. Kandier, der sich
am eifrigsten damit beschäftigt hat, dass man mit voller Sicherheit
davon sprechen könnte. Die Fragen, welche heute angeregt sind,
beunruhigen die Gemüther, Italien und Croatien gerat hen hier in
Conflict. Man übertreibt, man entstellt, und während man streitet,
verbreitet sich die italienische Sprache immer mehr, so dass sie in
50 Jahren die einzige, allgemein gesprochene sein wird. Nur in der
Kirche wird man auf den Kanzeln das Slavische hören. (Dies dürfte
aber doch schwerlich der Fall sein, da sich gegen diese Suprematie
der italienischen Sprache in letzter Zeit eine starke
Reaction
gebildet hat.)
Vor der Römerzeit scheinen zwei Völker Istrien bewohnt zu haben.
Die Celten in den Gebirgen, die Thracier an der Seeküste. Hierauf
kamen römische Niederlassungen und die lateinische Sprache. Die
Thracier gingen gänzlich in den Römern auf, die Celten verschmolzen
nicht mit den Letztern, aber sie nahmen die lateinische Sprache an,
wie alle Celten in Europa. Während der ganzen Dauer der
byzantinischen Herrschaft war die lateinische Sprache in Istrien die
allgemein herrschende, die gemeine Sprache im Munde des Volkes, die
Schriftsprache in den öffentlichen Acten und Kirchenangelegenheiten.
Unter Carl dem Grossen kamen Slaven nach Istrien and zwar aus
Nordost. Als sich das Feudalsystem entwickelte, waren die Vasallen
des Markgrafen Deutsche. Ihre Geschlechter und ihre Sprache hatten
keine Dauer. Zugleich mit dem Lehen entwickelten sich die
Municipien, und diese waren Träger des italienischen Elementes. Die
lateinische Sprache, als
[146] die edelste, behauptete ihre
Herrschaft, sowohl bei den Italienern wie bei den Slaven und den
deutschen Lehensherren. Albert II., Markgraf von Istrien, der in
Pisino geboren war,
lange lebte und immer mit den Städten Istriens, Friauls und mit
Venedig in Beziehung war, kannte kein Wort Italienisch noch Latein,
er sprach nur kärnthnerisch.
Man hat den Venetianern in Bezug auf die Italienisirung Istriens
zu viel zur Last gelegt Sie kümmerten sich wenig darum. Sie sandten
in jede Stadt nur einen Podestà,
die Kanzler waren aus dem Orte selbst, ebenso die
andern Beamten. Die Truppen der Republik bestanden aus Croaten,
Dalmatinern, Griechen, Holländern und nur wenig Italienern.
Die zweite slavische Einwanderung nahm im Jahre 1400 ihren
Anfang, sie hörte für das flache Land mit dem Jahre 1700 auf. In die
Städte kamen aber auch später noch griechische Colonisten aus
Candien, Morea und Cypern. Die Slaven kamen aus Croatien, Dalmatien,
Bosnien und Montenegro, auch aus Albanien. Die letzten Albanesen
liessen sich im Bezirke von Parenzo nieder. Sie waren alle einstige
Unterthanen der ungarischen Krone, deren Farben sie bis zum Jahre
1848 trugen.
Die italienische Race
und Sprache herrschte in den Städten und grosseren
Ortschaften vor, in den Municipien; die slavische auf den
Herrschaften. Einige Municipien nahmen Slaven auf, so z. B. Pola und
Parenzo, wo diese immer von den Italienern getrennt lebten. Jetzt
macht die italienische Sprache ungeheure Fortschritte; nicht in
Folge einer besonderen Propaganda, sondern in Folge des zunehmenden
Verkehrs mit den Städten, in Folge der Vermischung in den Kasernen,
aus denen die Soldaten alle (?) mit der Kenntniss der italienischen
Sprache heimkehren. Der Einfluss des Slavischen ist in den Kirchen
sehr gross, hat aber auf die Massen keinen Einfluss.
Albona und Volosca waren liburnische Orte, die später lateinisirt
wurden, im 9. Jahrhunderte wurden sie croatisch, jetzt werden sie in
Folge der Schiffahrt italienisirt. Die sogenannte griechische
Colonie in Peroi (siehe
dieses) ist in Wahrheit nur eine montenegrinische gewesen.
Die Rovignesen brüsten sich damit, von Seeräubern abzustammen,
aber auch dieses gehört zu den unbegründeten
[147] Traditionen. Die Rovignesen
stammen von römischen Colonisten, gerade so wie die Bewohner von
Valle, Dignano und
Sissano. Das Gebiet
enthält eine Menge romischer Alterthümer. Die Raine, welche für
einen Thurm und eine Zufluchtsstätte der Seeräuber gehalten wird,
war ein römisches Schloss. Was die Seeräuber anbelangt, können auch
Römer dieses Handwerk getrieben haben, und bei genaueren
Nachforschungen wäre es sogar möglich zu erkennen, woher sie
gekommen waren.
2. Slaven.
Istrien ist eigentlich doch ein Land der Slaven, denn mehr als
2/3 seiner Bevölkerung sind Slaven. Doch
gehören sie nicht zur selben: Familie und sprechen nicht dieselbe
Mundart. Die Urbewohner der Halbinsel waren celtischer Abstammung,
die Istrianer, welche die Küsten besetzten und der Provinz den Namen
gaben, waren Pelasger. Die spätem Ansiedler, welche die Pelasger
verdrängten und sich mit ihnen vermischten, waren Lateiner. Sie
assimilirten sich allmälig die andern Bewohner, welche während der
römischen Herrschaft, die bis zum 8. Jahrhunderte dauerte, beinahe
Alle, theils aus Zuneigung, theils aus Furcht und um ihren Herren zu
schmeicheln, Lateiner wurden.
An den beiden Abhängen des Monte Maggiore,
zwischen dem Flanatischen oder Quarnerischen
Meerbusen und dem Arsafluss, der einstigen römischen Grenze, liegt
das Gebiet, welches die Alten mit den Inseln des Quarnero und dem
Stadtgebiete von Zara
zusammen Liburnien nannten, welches von Alters her von einem
Volksstamme bewohnt war, welcher von den Küstenbewohnern des übrigen
Istriens ganz verschieden war. Ob die Liburnier ursprünglich Slaven
oder Stammverwandte der celto-illyrischen Japiden waren, ist eine
schwer zu lösende Frage. Gewiss ist, dass diese verschiedenen
Völkerschaften, wenn nicht schon früher, so doch durch die
Bewegungen in späterer Zeit, assimilirt wurden, und sie müssen zu
den slavischen Racen gezählt werden; es ist jedoch schwerer zu
entscheiden, ob man sie ihrer Tracht nach für Stammgenossen der
Bewohner des inneren Istriens, oder ihrer Sprache nach für
liburnische Slaven halten soll. Denn wiewohl es einem rohen Volke
leichter wird, eine andere Sprache [148]
anzunehmen als eine andere Tracht, welche meist von der
Beschaffenheit des Klimas bedingt wird, so bieten sich uns auf der
Halbinsel selbst Beispiele vom Gegentheile dar.
Nach dem 8. Jahrhundert liessen sich neue Ansiedler im Innern des
Landes nieder: deutsche Edelleute und slavische Bauern. Die ersteren
standen isölirt und ohne hinreichende Macht da, sie wichen nach und
nach den Einflüssen der Mehrheit. Von den venetianischen Ansiedlern
verdrängt, verliessen sie zum Theile die Provinz, oder sie schlössen
sich der neuen Nationalität an.
Die slavischen Bauern, fortwährend durch neue, von der Regierung
hierher versetzte Ansiedler verstärkt, beschränkten sich auf das
flache Land, nahmen aber auch Leute italienischer Abkunft und
Sprache unter sich auf. Heute noch, tausend Jahre nach ihrer ersten
Einwanderung, finden wir sie noch in verschiedene Familien getheilt.
Zwischen der Dragogna und dem Quieto-Flusse im Bezirke Buje leben
Slaven mit italienischer Tracht und mit einigen italienischen
Gebräuchen, so dass man im Anfang zweifeln könnte, ob sie slavisirte
Italiener, oder echte Slaven sind, welche sich nach und nach
italienisiren. Und doch sind dies vielleicht die ältesten Slaven
Istriens.
Nach diesen kommen, dem Alter nach, die Savrinen zwischen
dem Dragogna-Fluss und dem Vena-Gebirge, in den Bezirken von Pirano,
Capodistria und dem Triester Stadtgebiete, echte Slaven in Sprache
und Sitte. Ihren Namen, Savrinen, will man von der Save herleiten,
was jedoch mit der bis auf die jüngste Zeit beibehaltenen rothen,
weissen und grünen Farbe der Quasten und Schnüre, das Merkmal der
ehemaligen ungarischen Unterthanenschaft, nicht übereinstimmen
dürfte.
Eine andere, ebenfalls alte Familie, und vielleicht stammverwandt
mit der letztern, bilden die Bewohner der Gegend am obern
Quieto,
im Bezirke von Pinguente.
Sehr alten Ursprungs müssen auch die slavischen Bewohner des
Bezirkes Albona, zwischen der Arsa
und dem Quarnero, sein, welche zum Liburnischen
Stamme gehört zu haben scheinen.
Mehr in die Neuzeit fallen die Bewohner zwischen dem
Quieto und dem Leme, dem
letztern und der Arsa,
Morlachen [149]
und Uskoken, die aus Dalmatien, Montenegro, der
Herzogevina und dem croatischen Küstenlande herüberkamen, und welche
Alle, obwohl von verschiedener Herkunft, zu einer einzigen Familie
gehören.
Die ursprünglich lateinische Familie im Bezirke
Castelnuovo
ist jetzt ganz slavisch geworden, und bald dürften
es auch die Bewohner der Ortschaften sein, welche man der Sprache
nach für Wallachen halten muss.
Alle diese verschiedenen slavischen Familien bewahren das Gepräge
des gemeinsamen Ursprungs in Sprache, Tracht und Sitte, und doch
findet man aber auch wieder von Bezirk zu Bezirk, ja oft von
Gemeinde zu Gemeinde so grosse Verschiedenheiten, dass man sie für
gesonderte, in verschiedenen Zeiträumen und aus verschiedenen
Ländern in Istrien eingewanderte slavische Racen halten könnte, denn
sie leben von einander getrennt; jede Gemeinde bewahrt ihre eigenen
Sitten und Gebräuche, ihren eigenen Dialect.
Die slavischen Stämme verschmelzen sich nicht mit einander. Sie
verschwägern sich nur in der Gemeinde oder Ortschaft und bewahren
dadurch eigentümliche Gewohnheiten und Familien-Herkömmlichkeiten.
Diese Eigentümlichkeiten bewahren besonders einige slavische und
andere Familien, die man auf der Halbinsel findet. Zu diesen,
gehören vor Allen.
3. Die Tschitschen.
Diese leben in der unwegsamen und wasserlosen Hochebene zwischen
Pinguente und der Poststrasse von Triest nach
Fiume
und sind ein von den benachbarten Völkerschaften
ganz verschiedenes Bergvolk. Der schmale Erdstrich, den sie
bewohnen, wurde in einigen Landesbeschreibungen willkürlich
vergrössert und mit dem Namen Tschitschenboden belegt. Einige
Ethnographen behaupten, dass sie von den Scythen abstammen und dass
ihr jetziger Name und ihre illyrische Mundart den Scythen entlehnt
sei. Andere wollen sie von den Römern herleiten und dies aus dem
romanischen oder wallachischen Idiom erklären, welches sie vor zwei
hundert Jahren noch redeten, ja auch heute noch in dem Dorfe Sejane
sprechen, und das sich noch in einigen anderen Orten am Fusse des
Monte Maggiore
erhalten hat. Auf ihren [150]
romanischen
oder wallachischen Ursprung will man auch aus ihrer Geschwätzigkeit
und ihrem losen und unzüchtigen Benehmen schliessen, während der
Slave in der Regel
behutsamer, verschlossener und sittsamer ist. Noch Andere behaupten,
sie wären ein croato-slovenischer Stamm, der im 7. Jahrhundert aus
Böhmen nach Dalmatien kam und später mit Einwilligung des Kaisers
Heraklius hierher übersiedelte. Den Namen Tschitschen haben sie
nicht ursprünglich geführt, sondern von ihren Nachbarn erhalten. Man
leitet ihn von dem wallachischen Worte "Ciccia"
ab, welches Vetter bedeutet und mit welchem
sie sich anzureden pflegen, gerade so, wie der junge Italiener in
Istrien den älteren Barba
(Oheim) ruft und andere junge Leute "Bruder" oder
"Schwester", und wie in andern Ländern das Wort "Schwager" üblich
ist.
Der Tschitsche ist von grossem Schlage, hat einen kräftigen
Körperbau und besitzt sehr viel Anlagen zur Ausbildung, welche bis
jetzt kaum über den untersten Grad der Cultur gelangt ist, weil ihm
bisher keine Gelegenheit zu seiner geistigen Entwicklung geboten
war. Er kleidet sich mit grobem Lodentuche, welches aus der Wolle
seiner Schafe verfertigt wird. Die Beine sind mit engen, aus weissem
Lodentuche verfertigten Beinkleidern bedeckt, welche unter dem Knie
mit messingenen Haken bis zu den Knöcheln an die Waden angepasst
sind. Der obere Theil des Körpers ist mit einer Weste und einer bis
über die Hüften gehenden Jacke von braunem Lodentuche bekleidet. Die
Fussbekleidung besteht aus wollenen Socken und Opanken (eine Art
Bundschuhe). Zur Kopfbedeckung dient ihm ein breitkrämpiger Filzhut,
welcher meistens mit einem hochrothen Bande geziert ist.
Das Tschitschenweib ist in ihrer körperlichen Ausbildung eben so
kräftig wie der Mann, nur ist der Gesichtsausdruck minder angenehm
als bei dem letzteren. Die niedere, platte Stirn, die tiefliegenden,
meist schwarzen Augen, die breit-backigen Wangen, die meistens
breite und nach aufwärts gebogene Nase bei der durchgehends
schwarzbraunen Gesichtsfarbe benehmen der Tschitschin alle
weiblichen Reize. Auch ist die Kleidung der Weiber wenig geeignet,
denselben etwas Gefälliges zu verleihen, denn das hochroth geblumte
Baumwollentuch, mit dem sie den Kopf und den Hintertheil des
Gesichtes bis über die Ohren bedecken, indem sie es unter
[151] dem Kinne zusammenbinden,
und der aus braunem Lodentuche verfertigte, bis unter das Knie
reichende, vorn ganz offene Caputrock, welcher über das aus grober
Hausleinwand gemachte, eben so lange Hemd angezogen und über der
Hüfte mittels eines, mit messingenen Knöpfen beschlagenen Riemens an
den Leib fest angeschnürt wird, dann die grobwollenen, über das Knie
reichenden Socken und die Opanken tragen nur dazu bei, auch die
minder unansehnliche Tschitschin zu entstellen.
Der Tschitsche lebt ohne Traditionen und Erinnerungen in den Tag
hinein, brennt Kohlen und verfertigt Fassdauben, hütet seine Schafe
und bebaut sein armes Feld, wo keine Reben sich um Olivenbäume
ranken und keine Cikade zirpt. Trauriger ist noch das Loos der
Tschitschin. Nicht selten wird sie von ihrer Mutter auf der
Wanderung nach Triest zur Welt gebracht, oder im Walde während der
Arbeit. Kaum vermag sie eine Last zu heben, so muss sie, dem
Saumthiere gleich, periodisch eine Bürde, für die ihre Kräfte kaum
ausreichen, nach der Stadt tragen, und mit dieser Last steigt sie
die steilsten Felsen hinauf und herab und strickt dabei noch
Strümpfe.
Sie bittet meist die Vorübergehenden um Almosen ; sie würde es
nicht thun, wenn sie ihre Last, wenn auch um einen Spottpreis,
verwerthen könnte, aber die Aufkäufer wissen, dass sie ihre schwere
Waare nicht zurücktragen kann und verstehen es, sie ihr abzupressen.
Sie bittet um Almosen, um mit etwas Geld heimzukehren, oder unter
einem Obdache die Nacht zuzubringen, wenn sie ihre Waare nicht
anbringen kann. Gelingt ihr dies nicht, so schliesst sie sich dem
in's Gebirge zurückkehrenden Trupp der Ihrigen an, und uneingedenk
der Vergangenheit, unbekümmert um die Zukunft, singt sie im Chore
ihrer Begleiter schwermüthige Lieder; sie ist niemals fröhlich,
lächelt nie und apathisch kehrt sie zur mühevollen Arbeit, zu den
gewohnten Beschwerden zurück.
4. Romanische
Colonie.
In dem Thale zwischen dem Monte
Maggiore
und dem Cepich-See wohnt eine beiläufig 5000 Seelen
zählende Gemeinde, welche sich im Familienkreise der lateinischen
Sprache bedient; freilich ist dies ein gemeines, verdorbenes Latein,
[152] und zwar dasselbe, welches die Wallachen in den
Donauländern und die Bergbewohner des Epirus und Griechenlands
sprechen. Die Bewohner dieses Gebietes halten sich für Abkömmlinge
der römischen Militär-Colonien. Dieselbe Sprache redeten auch die
heutigen Tschitschen, und vor etwa 150 Jahren war sie auch in
einigen Dörfern des Triester Karstes gebräuchlich. Durch den
häufigen Verkehr mit den Slaven gaben sie die ursprüngliche Sprache
entweder ganz auf, oder schämen sich derselben und geben vor, sie
nicht mehr zu kennen, und gebrauchen sie nicht vor Fremden.
5. Italienische Südistrianer.
Im Bezirke von Dignano und auch sonst im
unteren Theile von Istrien hat sich ein
Volksstamm erhalten, der sich in Tracht und Sprache nicht nur von
den Slaven im Innern und an der Ostküste, sondern auch von den
übrigen Küstenbewohnern italienischer Mundart unterscheidet. Dieser
Stamm bewohnt seit uralter Zeit das Gebiet der ehemaligen römischen
Colonie von Pola und
muss einst sehr zahlreich gewesen sein, da es erwiesen ist, dass er
sich nicht nur über Dignano und Galesano, sondern auch über vier
oder fünf andere Ortschaften zwischen den Häfen von Vestre und
Carnizza erstreckte, welche später durch Pestseuchen und Kriegsnoth
entvölkert wurden. Ihnen folgten die Slaven, welche in Folge ihrer
kräftigeren Körperbeschaffenheit und abgehärteteren Lebensweise den
schädlichen Einflüssen des Klimas leichter widerstanden. Jener Stamm
ist ohne Zweifel italienischen Ursprungs, aber es muss seltsam
erscheinen, dass er sich so sehr von den andern Italienern in
Mittel- und Ober-Istrien unterscheidet und mehr an die
Eigenthümlichkeiten der Süditaliener erinnert. Dieser Stamm spricht
einen italienischen Dialect mit eigentümlichen Lauten und Biegungen.
Viele Wörter klingen beinahe ganz lateinisch, manche tragen das
Gepräge uralter lateinischer Abstammung und habt n in der heutigen
Sprache eine ganz andere Bedeutung. Es scheint daher, dass dieser
Stamm einer altitalienischen Colonie
angehörte, welche die römische Regierung hierher
verlegte, als sie dieses Gebiet in Besitz nahm und hier die
Colonie von Pola gründete,
oder als diese in spätem Zeiten erneuert wurde.
[153]
6. Peroieser.
In dem Dorfe Peroi, im Bezirke Dignano, lebt eine Bevölkerung mit
ganz eigentümlichem Charakter, die auch beute noch von griechischer
Abstammung gehalten wird. Man will sogar dadurch die alte Sage, dass
Istrien einst von Griechen bewohnt war, bestätigen. Nun scheint zwar
der Volksstamm, der vor der Römerzeit im Besitze der istrischen
Küste war, zur grossen griechischen Familie gehört zu haben. Später
besiegt und unterjocht, fiel ein Theil in der Schlacht, ein anderer
unter dem Beil, viele wurden als Sclaven verkauft und die übrigen
vermengten sich dergestalt mit der neuen Bevölkerung, dass ausser
der erwähnten Sage keine Spur von ihnen übrig geblieben ist. Diese
Sage erneuerte sich in Istrien in der Zwischenzeit nach der Gothen-
und vor der Frankenherrschaft, als Istrien dem byzantinischen Reiche
unterworfen, die Sprache der Regierung und der Kirche die
griechische war, Griechen die öffentlichen Aemter bekleideten und
die Cultur aus griechischen Quellen floss. Die Herkunft der heutigen
Peroieser ist aber folgende:
Es war im Jahre 1658, nach der grossen Pest, als der Doge
Giovanni
Pesaro aus den Boche
di Cattaro und Montenegro einige Familien
aufnahm und nach Istrien schickte, wo sie sich nach Belieben
ansiedeln sollten. Sie kamen zuerst nach Salvore. Hier fanden sie
eine röthliche Erde und ein Kraut, Popratina genannt, und erkannten
daraus, dass der Boden nicht fruchtbar sei und wollten nicht da
bleiben. Sie wurden daher auf Befehl der Regierung weiter geführt
und gelangten zu dem Dorfe Peroi, welches damals entvölkert war.
Hier fanden sie schwarze Erde, Gesträuche und Dornbüsche. Die
Schönheit der Lage und die gute Beschaffenheit des Bodens
veranlassten sie, sich hier niederzulassen, und der Doge wies ihnen
die nöthigen Grundstücke an. Diese Gemeinde bestand damals nur aus
5-7 Familien, welche sich zur griechisch-orientalischen Kirche
bekannten. Sie wurden auch deshalb lange Zeit verfolgt, da man sie
zwingen wollte, ihrem Glauben zu entsagen. Sie waren z. B.
genöthigt, den katholischen Geistlichen die
Congrua zu zahlen und hatten nicht einmal
eine Kirche im Dorfe, sondern sie mussten nach Pola wandern, um in
der dortigen griechischen Kirche von S.
Nicolò dem Gottesdienste ihres Cultus
beizuwohnen. Da sie [154] aber gutgesittete, treue,
der Regierung anhängliche Leute waren, so wurden sie endlich von den
Verfolgungen befreit und man gestattete ihnen die ungehinderte
Religionsübung, und
sie haben bis zum heutigen Tage ihren Glauben und ihre Sitten
beibehalten. Sie sind von schönem und kräftigem Körperbau, reinlich,
gastfreundlich und mildthätig gegen die Armen; auch sind sie
arbeitsam und wohlhabend, daher auch ihre Nahrung besser, als die
der Bewohner anderer Gegenden. Man findet bei ihnen
Polenta, Fleisch, Käse, Reis,
Pasten und Maccheroni,
die sie selbst bereiten, bisweilen auch Braten, und
es wird Alles gut zubereitet.
7. Sprache.
Da Istrien ein slavisches Land ist, so ist die Sprache der
Mehrheit der Einwohner die slavische, jedoch mit verschiedenen
Dialecten. Man nimmt an, dass nur ungefähr
3/10 der Bevölkerung italienisch spricht, und
zwar meist nur in den Städten und an der Küste. Das Landvolk
spricht, besonders in der Nähe der Städte und der Westküste, oft
beide Sprachen, die italienische und die slavische.
Der gelehrte Dobrowsky ( †
1829) theilte das grosse Volk der Slaven in zwei Hauptäste, davon
der eine dem Norden und Westen, der andere dem Süden und Osten
Europa's angehört. Zu dem ersten zählt er die Russen, Polen,
Lausitzer (Serben), Böhmen, Schlesier und Mährer, zu dem letzten die
Croaten, Serben, Slovenen, Dalmatiner, Montenegriner und Bulgaren.
In sprachlicher Hinsicht zerfallen die Slaven in vier
Hauptstämme: der erste begreift die Russen; der zweite die Polen und
Schlesier; der dritte die Czechen, Mährer und Slovaken; der vierte
die Südslaven, d. i. die Croaten, Serben, Slovenen, Dalmatiner,
Montenegriner und Bulgaren. In Istrien finden wir nun ein Gemisch
dieser letzteren Familien, und daher auch ihre verschiedenen
Dialecte.
In den einzelnen Bezirken sind die Verhältnisse der Bevölkerung
folgende:
Bezirk Capodistria. Bevölkerung: 28,135 Seelen. Der Nationalität
nach sind 2/3 Slaven slovenischer Sprache und Abstammung, 1/3
Italiener. Die Letztern sind auf die Städte Capodistria und Muggia
beschränkt. Doch wird das [155]
Italienische auch von
einem Theile der slavischen Bevölkerung verstanden und gesprochen.
Bezirk Pirano. Bevölkerung: 14,873 Seelen. Von diesen sind 12,930
Italiener, oder italienisirte Slaven, welche den Hauptort Pirano mit
9033 und den Markt Isola
mit 3897 Seelen bewohnen. Der übrige Theil des
Bezirkes wird von Slaven, diesseits des Dragogna-Flusses von
slovenischer, jenseits desselben von illyrischer Mundart bewohnt.
Ihre Anzahl beläuft sich auf 1942 Seelen.
Bezirk Buje. Bevölkerung: 14,297 Seelen, von denen ein Drittel
der italienischen, zwei Drittel der slavisch-illyrischen
Nationalität angehören. Die Ersteren bewohnen meist die Städte
Umago, Buje und Cittanova.
Bezirk Parenzo. Bevölkerung: 8400 Seelen. Die Bewohner von
Parenzo und Orsera, ersteres mit etwa 3000, letzteres mit 780
Einwohnern, sind meist italienischer, in allen übrigen Orten
slavischer und zwar morlachischer Nationalität.
Bezirk Rovigno.
Bevölkerung: 14,514 Seelen. Diese sind in Rovigno
selbst mit mehr als 11,000 Einwohnern
Italiener, die einen eigentümlichen Dialect sprechen. Sonst ist der
Bezirk von Slaven bewohnt, die zur Familie der Croato-Serben
gehören.
Bezirk Dignano. Bevölkerung: 13,000 Seelen, darunter ungefähr
4500 Italiener, welche die Stadt Dignano bewohnen, die Uebrigen sind
Slaven und zwar morlachischer Abstammung.
Bezirk Pola. Bevölkerung: 6358 Seelen, wovon die Mehrzahl
slavischer und zwar serbischer Nationalität. Nur in der Stadt Pola,
dann in den Dörfern Gallesano, Fasana und
Sissano wohnen auch Italiener. Die Bewohner
von Peroi sind, wie bereits erwähnt, montenegrinischer Abkunft.
Bezirk Albona. Bevölkerung: über 12,000 Seelen und zwar
slavischer Nationalität. Die Bewohner von Albona und Fianona haben
zwar die italienische Sprache und Sitte angenommen, doch sprechen
sie auch noch slavisch. Die Bewohner der übrigen Gemeinden sind
echte Slaven in Sprache und Sitte, doch sprechen sie hin und wieder
auch italienisch.
Bezirk Volosca. Bevölkerung: 23,217 Seelen. Die gesammte
Bevölkerung dieses Bezirkes ist slavischer Nationalität; der
Dialect, der hier gesprochen wird, ist dem [156]
dalmatinisch-illyrischen sehr ähnlich, nicht
so dem croatischen, welcher den Bewohnern dieser Gegend viel
unverständlicher ist, als der dalmatinische. Die Küstenbewohner des
Bezirkes verstehen auch meistens italienisch, da sie das Seehandwerk
treiben und auf ihren Fahrten diese Sprache lernen.
Bezirk Castelnuovo. Die Bevölkerung des Bezirkes beläuft sich auf
16,039 Seelen und kann in zwei Familien abgetheilt werden. Der ganze
südöstliche Theil dieses Bezirkes wird von den Tschitschen bewohnt
(siehe Tschitschen). Der übrige Theil der Bevölkerung ist
krainerischer Abstammung und unter dem Namen Berkinen bekannt.
Bezirk Pinguente. Die Einwohnerzahl dieser Bevölkerung beläuft
sich auf 14,026 Seelen. Sie sind theils italienischer, theils
slavischer Abstammung. Die Italiener bewohnen die Stadt Pinguente,
einige Familien sind auch in den Ortschaften Rozzo, Draguch und
Sovignaco ansässig. Der Rest der Bevölkerung ist slavischer, und
zwar slovenischer Abstammung.
Bezirk Montona. Die Bevölkerung desselben beläuft sich auf 14,230
Seelen und ist, mit Ausnahme der Städte, in denen Italiener wohnen,
slavischer Abstammung und zwar im südlichen Theile von
dalmatinisch-morlachischer und in den östlichen Gegenden von
serbisch-croatischer Abkunft.
Bezirk Pisino. Beinahe die ganze, 23,570 Seelen zählende
Bevölkerung dieses Bezirkes ist slavischer Nationalität und spricht
eine Mundart der illyrisch-croatischen Sprache mit Beimischung
italienischer Ausdrücke. Nur wenige Familien in den Hauptorten
einiger Gemeinden sind italienischer Herkunft und grösstentheils aus
dem venetianischen Carnien eingewandert. Diese Familien, sowie die
gebildeteren Einheimischen sprechen nebst der slavischen auch die
italienische Sprache, welche durch den häufigen Verkehr mit dem
exvenetianischen Küstenstriche, durch den Unterricht in den
Volksschulen und vorzüglich durch den Umstand, dass die Gerichtsund
Amtssprache italienisch ist, sich immer mehr ausbreitet. Die
Gemeinden von Gradinie,
Lettai, Sussgrevizza und Grobnico, am Fusse des
Monte Maggiore, mit
einer Bevölkerung von 960 Seelen, sind von Wallachen (siehe
romanische Colonie)
bewohnt, die sich daselbst als Colonie
niedergelassen haben und noch gegenwärtig nebst der
slavischen als
Verkehrssprache, [157]
unter sich das Romanische, jedoch mit
Beimischung fremder Worte, als Muttersprache sprechen.
8. Religion
Die gesammte Bevölkerung Istriens bekennt sich zur
römisch-katholischen Religion und steht zum Theile unter dem
Bisthume von Triest- Capodistria,
zum Theile unter dem Bisthum
e
von Parenzo-Pola. Eine Ausnahme davon
bildet nur die Gemeinde von Peroi (siehe dieses), welche sich zur
griechisch-orientalischen. Kirche bekennt. Israeliten gibt es in
Istrien nicht. Die Republik Venedig verweigerte denselben den
Aufenthalt im Lande nicht, wie man mancherseits glaubte, ausser in
den Orten, wo sich Leihanstalten befanden, und auch in diesen wurden
sie geduldet, wenn keine Fälle von übertriebenem Wucher vorkamen. In
Pirano lebten noch Juden im Jahre 1800 und kurz vorher noch in
Rovigno. Sie übersiedelten nach Triest und es kamen keine mehr nach
Istrien, weil, wie ein Kenner der istrischen Zustände meinte, "die
Istrianer die Juden im Wucher bei weitem übertrafen." Traurig
genug für das Land. Auch im österreichischen Istrien war ihnen der
Aufenthalt von Seite der Regierung nie untersagt, es scheint aber,
dass ihnen die Bevölkerung nicht geneigt war. Sie selbst sagten, es
wäre da ihres Bleibens nicht.
9. Physische Beschaffenheit und
Charakter der Einwohner.
Erstere ist je nach den verschiedenen Racen auch ziemlich
ungleich. Die Slaven im Allgemeinen sind von mittlerer, mitunter
grosser Statur, stämmigem, kräftigem Körperbau und gesunder, durch
die Feldarbeit abgehärteter Constitution. Sie haben meist blondes
Haar und blaue Augen. Sie ertragen leicht Beschwerden, harte Arbeit
und Entbehrungen, besonders in den Gebirgsgegenden und auf dem
Karste. Der Morlache ist weicher und neigt sich zur Trägheit hin. In
Folge der andauernden Missjahre und der mangelhaften Nahrung zeigen
sich hin und wieder Spuren abnehmender physischer Kraft. An der
Küste, wo sie auch das Seehandwerk treiben, sind die Leute lebhafter
und gewandter. Der Tschitsche ist von grossem Schlage, kräftigem
Körperbau und lebhaftem Temperamente. Der Berkine ist meist von
kleinerer Statur und hat einen minder kräftigen Körperbau.
[1588]
In den Gegenden, wo Weinbau getrieben wird und in guten
Jahren Wein in Ueberfluss zu haben ist, sind die Leute auch
lebhafter, munterer, thätiger und zur Feldarbeit geneigt, z. B. im
Bezirke von Capodistria.
Die Italiener sind in der Regel von mittlerer oder kleiner
Statur, haben schwarzes gekraustes Haar und dunkle Augen, sie sind
nicht so kräftig und stämmig gebaut, wie die Slaven, dagegen
gewandter, flinker, beweglicher und auf dem Lande auch wohl thätiger
und industriöser. Ihr ganzes Wesen ist aufgeweckt, freier und
entschiedener, während das des Slaven meist schlaff und träumerisch
ist; sie haben eine raschere Auffassungsgabe und mehr Schnelligkeit
im Handeln. Hier ist natürlich die Rede von der arbeitsamen und
thätigen italienischen Bevölkerung des flachen Landes und der
Vorstädte, die sich mit Feldbau, Schiffahrt etc. beschäftigt. Die
Städter sind meist indolent und zu Ausschweifungen geneigt. Der
Slave weiss auch in der Regel seine Kräfte
nicht zu sparen, er verschwendet sie oft in unnützen Arbeiten, die
er sich durch etwas industriösen Geist erleichtern konnte. Dabei
hängt er starr an den Bräuchen seiner Voreltern, von denen er nicht
abgehen will, und ist für Neuerungen gar nicht empfänglich, wenn er
auch ihre Vortheile einsieht. Daher bleibt er auch roh und ist
mitunter verschmitzt und boshaft. Unwissenheit und Misstrauen paaren
sich häufig mit Unbehilflichkeit und Trägheit, und nur die Noth
treibt sie zu ausdauernder Arbeit. Dagegen haben sie auch gute
Eigenschaften, sie sind religiös, gastfreundlich, achten ihre
Vorgesetzten und Familienhäupter und halten auf Zucht und Sitte.
10. Nahrung
Die Istrianer
leben, wie die Südländer im Allgemeinen,
frugal, sind übrigens auch durch ihre Armuth darauf angewiesen. Die
wohlhabenden Familien haben ihre Haushaltung ganz in italienischem
Geschmack bestellt. Die gemeine Volksclasse lebt in der Regel sehr
schlecht und die Aermeren haben wochenlang kein Stück Fleisch im
Topfe und nähren sich meist von Polenta,
Vegetabilien, Gemüse etc. Für die Bewohner am Meere sind die
Seefische ein wohlfeiler Nahrungsartikel. Uebrigens richtet sich die
Nahrung auch nach [159] den
verschiedenen Gegenden und ihrer grösseren oder geringeren
Fruchtbarkeit.
Die Wohlhabenden in den Küstenbezirken nähren sich mit weissem
Brode, Reis, Fleisch, Fischen feinerer
Gattung, Geflügel, Früchten etc. Die Nahrung der ärmeren Classen
besteht aus Polenta, Brod aus türkischem
Weizen, Gemüse, Milch, Käse, Eiern, Fischen geringerer Gattung,
Sardellen, Sardoni und gesalzenen Häringeo. Fleisch, besonders
Rindfleisch, ist ein seltenes Gericht auf ihrem Tische. Die Speisen
werden meist mit Oel oder Schweinefett zubereitet. Erdäpfel werden
nur in wenigen Gegenden gebaut und genossen, z. B. in den Bezirken
von Buje, Volosca und Pisino.
Im nördlichen Istrien, wo der Mais nicht fortkommt, und
überhaupt, wenn diese Frucht missräth, ist oft ein schlecht
gebackenes Brod aus Gerste und Hirse die einzige Nahrung der Armen.
Geräuchertes Schweinefleisch wird nur bei schwerer Arbeit, und
frisches Fleisch blos bei besonderen Feierlichkeiten aufgetischt.
Das Lieblingsgetränk der Istrianer ist der Wein, und den hatten
sie in guten Jahren in Ueberfluss; auch der Nachwein wird genossen.
Gewöhnlich wird er mit Wasser gemengt. Da das Wasser beinahe
überall, besonders im Sommer, schlecht ist, so wird es in Epochen,
wo der Wein eine Seltenheit ist, mit Essig gemischt. Auch hat in
Folge des Weinmangels der Genuas des Branntweins zugenommen. Bier
findet man nur in den Städten.
11. Sitten
In Bezug auf Sitte und Lebensweise besteht zwischen den Italienern
und Slaven, zwischen den Landbewohnern und Städtern ein grosser
Unterschied. Die Italiener und überhaupt der civilisirte,
italienisch sprechende Theil der Einwohner, besonders in den
Städten, nähert sich hierin den Venetianern, denn die Lagunenstadt
war einst das Vorbild und Eldorado der istrischen
Städter, welchem die Geschmacksrichtung, Sitte und Mode folgte.
Daher würde sich auch hier jede wohlhabendere Bürgersfrau schämen,
in die Fleischbank, oder auf den Markt zu gehen, um Einkäufe zu
machen. Das und andere Verrichtungen, denen sich die deutsche
Hausfrau so willig unterzieht, überlassen sie den Mägden.
[160]
Das Volk im Allgemeinen ist religiösen
Sinnes. Auch gab es, als die Städte wohlhabender waren, viele
Kirchen und Klöster, sowie Confraternitäten oder Brüderschaften,
Vereine zu religiösen Zwecken, die noch jetzt hin und wieder
bestehen. Die Kirchenfeste werden stets mit grossem Gepränge
gefeiert. In der Charwoche ist es Sitte, dass die Personen
weiblichen Geschlechts schwarz gekleidet, oder wenigstens mit einem
schwarzen Schleier bedeckt, die Kirchen besuchen. Die gebotenen
Fasttage werden stets sehr streng beobachtet.
Die Sitten haben zwar bei allen Slaven ein allgemeineres Gepräge,
aber doch wieder, je nach den verschiedenen Stämmen, auch ihre
Verschiedenheiten. Die Veränderungen in den bürgerlichen
Verhältnissen der jetzigen Zeit haben auch Veränderungen in den
Gebräuchen herbeigeführt, viele Gewohnheiten haben ihre frühere
Bedeutung verloren, wurden nicht mehr verstanden und daher
gleichgiltig. Die Dorfschaften im Innern haben mehr als jene in der
Nähe der Städte die angeerbten Gebräuche beibehalten, welche am
eigenthümlichsten bei den Moriachen hervortreten, aber ziemlich
allen Racen gemein sind.
Bei der Geringhaltung des weiblichen Geschlechtes legt man auf
den Stand und die Vermögensverhältnisse des Mannes keinen grossen
Werth. Der Vater wählt die Braut für seinen Sohn, ohne ihm übrigens
einen Zwang anzuthun. Der Vater verfügt sich mit zwei nächsten
Verwandten nach dem Hause des Mädchens, um dessen Hand er bei ihrem
Vater wirbt, der sich acht Tage Bedenkzeit erbittet. Man thut sich
bei einem Glase Weine gütlich und trennt sich alsdann. Nach Ablauf
der acht Tage holt sich der Vater des jungen Burschen in grösserer
Gesellschaft die Antwort und bei fröhlichem Schmause, wo dem Weine
tüchtig zugesprochen und auf das Wohl beider Familien getrunken
wird, wird der Abschluss des Geschäftes auf 14 Tage verschoben.
Weder die Weiber, noch die Braut und der Bräutigam sind zugegen, nur
die beiderseitigen männlichen Verwandten suchen sich zu
verschwägern. Nach vierzehn Tagen begibt sich der Vater mit dem
Sohne in's Haus der Braut und bringt ein Zicklein mit, das man
zurichtet. Der Freier reicht dem Mädchen den Verlobungsring, wodurch
sie verlobt werden, und Pistolenschüsse verkündigen das fröhliche
[161] Ereigniss. Am Hochzeitstage geht die
ganze Sippschaft unter Frendengeschrei und Schüssen in die Kirche.
Voran schreiten, in Ermangelung besserer Instrumente, zwei
Sackpfeifer, ihnen folgt zwischen zwei Brautführern die
blumenbekränzte Braut, mit züchtig verhülltem Gesicht, häufig mit
zahllosen Bändern bis über die Schultern geziert; dann kommt in
festlichem Gewände der Bräutigam zwischen zwei Brautjungfern, und
den Beschluss machen die Gevattern und andern Verwandten. Nach der
kirchlichen Feier verfügt sich Alles zum Schmause in's Haus des
Bräutigams oder der Braut, welcher die Schwiegermutter ein Kind und
einen Korb mit Getreide oder Früchten darreicht. Die letzteren wirft
die Braut handvollweise hinter sich. Beim Hochzeitsgelage wird
selten Maass gehalten, ihm folgt der Tanz. Die Braut schenkt allen
Gästen ein und kostet früher selbst den Wein ; dagegen erhält sie
von ihnen Geschenke, zuweilen auch Geld. In später Stunde schliesst
man das Brautpaar in eine Scheuer oder einen Keller, oder sonst wo
immer ein, und am nächsten Morgen überreicht die Schwiegermutter der
Braut einen Spinnrocken, eine Sichel und einen Besen. Einige andere
ehemalige Gebräuche kommen jetzt nicht mehr vor. Das Hochzeitsfest
dauert oft mehrere Tage, es ist die einzige Ehre, die der Braut
erwiesen wird; dann tritt sie in's häusliche Leben ein und harte,
gemeine Arbeit und Geringachtung sind ihr Loos. Diese Erniedrigung
beugt ihr Gemüth nieder, sie vernachlässigt daher auch ihr Aeusseres
und altert vor der Zeit.
In einigen Gemeinden besteht bei Leichenbegängnissen noch heute
die Sitte, dass Leute, besonders aus der Verwandtschaft des
Verstorbenen, bestellt werden, die während des Leichenzuges und am
Friedhofe Wehklagen und ein weithin vernehmbares Jammergeschrei
anstimmen.
Die Perojesen, d. h. die montenegrinischen Ansiedler in Peroi,
haben eigentümliche Gebräuche. Sie sind in diesen einfach, sittsam
und religiös, und halten sehr strenge Fasten. In der Fastenzeit vor
Weihnachten dürfen sie nur Gemüse, Grünzeug und Fische essen, in der
Fastenzeit vor Ostern aber nur Gemüse, und nur am 25. März, Märia
Verkündigung, und am Palmsonntag Fische. An den grossen Festtagen
haben sie ihre Unterhaltungen, die aus ihrem Nationaltanze und
andern Spielen bestehen. Während der Faschingszeit halten die
[162] jungen Leute
Kränzchen, bei denen bis 10 und 11 Uhr, oder gar bis Mitternacht
getanzt und geschmaust wird.
Ihre Hochzeitsgebräuche sind eigenthümlich. Wenn ein junger Mann
heirathen will, so geht er am letzten Sonntage vor Weihnachten, ohne
dazu von der Familie geladen zu sein, zu den Aeltern des Mädchens,
um welches er zu freien gedenkt, zum Nachtmahl. Er wird gut
aufgenommen und bewirthet, aber am achten Tage darauf, d. i. am
nächsten Sonntag, muss
der Freier alles zu einem
Schmause Nöthige zu der Familie mitbringen, wo er gut aufgenommen
wurde. Wenn nun nach einiger Zeit der Freier mit den Aeltern des
Mädchens Handels einig geworden ist, begibt er sich wieder mit
seinem Vater und seinen Anverwandten und dem Geistlichen zum
Nachtmahl hin und bringt den Trauring, ein Paar Schafe und irgend
ein anderes Geschenk mit und es wird nach dem Schmause der
Hochzeitstag festgesetzt. Wenn dieser herannaht, gehen beide Theile
am Donnerstag Abends herum, um die Verwandten einzuladen, und am
Freitag Abends beginnen die Lustbarkeiten, unter Gesang und
Freudenschüssen wird das Brod gebacken. Am nächsten Abend vereinigt
sich Alles beim Nachtmahle und vor Beginn desselben ernennt das
Haupt der Familie das Geleite, welches die Braut abholen soll: den
Gevatter, Führer des Geleites
(Stari
svat), die Schwäger der Braut, welche Brüder oder Neffen
des Bräutigams sein müssen
(Geveri),
den Hochzeitsboten, der die Ankunft des Zuges verkündigen soll, dann
den Bannerträger, der die Fahne trägt
(Cariaktar) und die andern Mitglieder des Geleits, welche kein
Amt zu verrichten haben und
Svatovi heissen. Nachdem alles dies festgesetzt worden ist,
beginnt der Schmaus, während dessen das Familienhaupt zwei Frauen
mit dem Antheil für die Braut zu ihr schickt. Diese sollen auch der
Familie der Braut anzeigen, dass am nächsten Tage der Bräutigam mit
einem Geleite von so und so viel Männern kommen werde {die Zahl
derselben muss eine ungerade sein), damit die Braut die Geschenke
für Alle vorbereiten könne. Auch müssen diese Frauen den Vater der
Braut, oder das Haupt ihrer Familie befragen, wie viel Leute er zum
Mittagsmahl des Bräutigams schicken werde, um der Braut Gesellschaft
zu leisten, und damit der Bräutigam sich darnach richten könne, denn
auch er muss das Geleite der Braut beschenken. Hierauf schickt die
[163] Braut dem Bräutigam mittels
eines Weibes einen Blumenstrauss, als Zeichen der Dankbarkeit und
Treue. Am Sonntag nun begibt sich der Bräutigam mit seinem Gefolge
beim Läuten der Frühglocke zu dem Hause der Braut, um sie abzuholen;
wie er sich aber der Thüre nähert, findet er Widerstand. Alle Gäste
der Braut nämlich stürzen mit Stocken, Säbeln und Flinten bewaffnet
zur Thür heraus und wehren ihm den Eintritt, indem sie ihm
verkündigen, er oder einer der Begleiter müsste früher den Apfel von
der Stange über dem Hause der Braut herabschiessen, denn
widrigenfalls würden sie ihm nicht erlauben, in's Haus einzutreten
und sich die Braut zu holen. Es müssen daher der Bräutigam und sein
Geleite zuerst nach dem Apfel schiessen, und wenn der Erste den
Apfel in der Mitte trifft, so hat das Geleite das Recht, ohne
ferneren Widerstand in das Haus der Braut einzutreten. Trifft keiner
den Apfel, so werden sie vom Familienhaupte mit leeren Flinten
gleichsam aus Gnade empfangen, mit gebrannten Wässern und Backwerk
bewirthet und mit Tüchern beschenkt. Die Braut empfängt den Segen
ihrer Aeltern, Grossältern und bejahrten Verwandten. Hierauf begibt
sich die ganze Gesellschaft in die Kirche, und nach dem
Gottesdienste nähern sich der Bräutigam und die Braut, der erstere
rechts, die letztere links, der Hauptthüre des Hauptaltars, der
Gevatter hinter ihnen, und nun beginnt die Ceremonie der Trauung,
welche 1-1/4 Stunde dauert. Nach der Trauung müssen sich der
Bräutigam und die Braut öffentlich umarmen, und dann beide mit ihren
Gevattern dasselbe thun. Während der Ceremonie werden vor der Kirche
Schüsse abgefeuert. Im Hause des Bräutigams angelangt, setzt sich
Jedermann an seinen Platz, und nachdem der Pfarrer die Tafel
gesegnet, beginnt die Mahlzeit. Keiner von den Gästen darf trinken,
ehe der obenerwähnte Führer des Zuges nicht von Allen begleitet
dreimal einen Hymnus zur Ehre Gottes gesungen hat. Hierauf ertheilt
er Jedem die Freiheit zu trinken und beginnt mit einem Lebehoch auf
die Gesundheit und das Wohlergehen des neuen Ehepaars. Während der
Mahlzeit wird mehrmals ein Hymnus zu Ehren des heiligen Nicolaus
gesungen und dieser angerufen, er möge den Herrn bitten, den
Eheleuten Ehre, Gesundheit und guten Wein zu geben. Bevor der Braten
auf die Tafel kommt, erhebt sich die ganze Gesellschaft, die
Neuvermählte [164] mit
inbegriffen, und es wird unter Gesängen und Freudenschüssen ein
Umzug um das Dorf abgehalten. Alle Familien desselben tragen Wein
heraus und bieten der Gesellschaft zu trinken an; die Weiber und
Mädchen beschenken die Braut mit Tüchern, Vortüchern etc. Am Abend
wäscht sich die ganze Gesellschaft die Hände, welche die Braut mit
Wasser begiesst, wofür sie von Allen ein Geldgeschenk erhält. Und
hiermit endet das Hochzeitsfest.
Unter die nationalen Volksbelustigungen gehört das Boccie oder
Kugelspiel, wobei mit hölzernen Kugeln, oder in Ermangelung
derselben mit Steinen, nach einem bestimmten Ziele geworfen wird. Es
sind dabei vier, fünf, sechs und mehr Spieler, welche sich in zwei
Parteien theilen. Einer der Spieler wirft eine Kugel, welche kleiner
als die übrigen ist, nach einer beliebigen Stelle. Dort, wo sie
niederfällt, oder fortrollend stehen bleibt, ist der Zielpunct für
alle übrigen Spieler und für denjenigen selbst, welcher den Wurf
gethan hat, denn dieser wirft jetzt als Erster mit einer grösseren
Kugel und sucht der kleineren möglichst nahe zu kommen. Der zweite
Spieler sucht sich durch seinen Wurf der kleinen Kugel noch mehr zu
nähern, zugleich aber auch die grössere Kugel seines Vordermannes
von der kleinen zu entfernen, je nachdem er das Eine oder das Andere
leichter ausführbar findet. Der Dritte, Vierte etc. thun das
Gleiche. Wer nun, nachdem alle Spieler geworfen haben, der Nächste
bei der kleinen Kugel ist, gewinnt einen Punct, und so geht das
Spiel fort, bis eine der beiden Parteien 12 oder 16 Puncte erreicht
hat. Als Spielplatz wird jeder ebene Platz benützt.
Der Volkstanz der Slaven heisst
Kolo,
Kreis-Tanz, und ist ein sehr einfacher
Tanz im Viervierteltact, bei welchem die Tanzenden mehr gehen und
hüpfen, als tanzen. Das musikalische Instrument ist die monotone
Gusla, oder Dudelsack, ein Schlauch, der mit einer oder zwei
Pfeifen versehen ist. Im östlichen Istrien heisst diese
Dudelsackpfeife Ludco. Im Bezirke Volosca wird auch ein
anderes Instrument, der sogenannte Tororo
oder Pifferi,
ein den Clarinetten oder Hoboen ähnliches Instrument gebraucht,
weshalb der Tanz, bei welchem es gespielt wird, hier Tororo- oder
Pifferi-Tanz heisst.
[165]
12. Volkstrachten.
Die wohlhabenderen, gebildeteren Bewohner der Städte kleiden sich
auch in Istrien nach der allgemeinen europäischen Mode, und man
sollte nicht glauben, wie schnell jetzt die Moden von Paris und
Wien, besonders seit der Verkehr mit Triest mittels der Lloyddampfer
so erleichtert und beschleunigt ist, ihren Weg nach Istrien finden.
Die Tracht der Landleute ist nicht nur nach der verschiedenen
Nationalität, sondern auch bei den Slaven selbst, nach den
verschiedenen Stämmen und Bezirken gegliedert, obwohl sie bei diesen
doch ein allgemeines Gepräge haben.
Die Verschiedenheit der Tracht richtet sich im Allgemeinen wohl
auch nach den drei Hauptbeschäftigungen der Bevölkerung: dem
Ackerbaue, der Schafzucht und der marittimen Industrie: Schifferei
und Fischerei.
Der Ackerbauer, welcher sich nicht so sehr den Einflüssen des
Klimas aussetzen muss, wie der Hirte, und der wegen seines häufigen
Bückens eine freie Bewegung des Knies nöthig hat, trägt kurze,
theilweise sehr weite Beinkleider, die nur bis an's Knie reichen,
lange Strümpfe und starke Schuhe. Das Oberkleid ist eine kurze Juppe
von braunen Loden; die Kopfbedeckung ist sonderbarer Weise,
besonders wenn man die glühende Sonne im Sommer und die tropischen
Regengüsse im Herbste in Erwägung zieht, ohne Krampe und Schirm:
eine plattgedeckelte, schwarze, nur in wenigen Ortschaften weisse
Mütze von grobem Wollenfilz; diese ist das charakteristischste und
bekannteste Stück im Anzuge des Istrianers, wechselt aber in der
Grösse häufig nach den verschiedenen Gegenden; die Extreme derselben
sind bei den italienischen Ackersleuten von Dignano und bei den
Savrinen zu finden. Bei den ersteren bedeckt die Mütze den ganzen
Kopf und erstreckt sich bis nahe an die Ohren; bei den letzteren
deckt sie nur die absichtlich geschorene Glatze. Der eitlere Savrine
lässt nur einen Kranz von kurzen Haaren stehen und lässt sich im
Nacken und auf dem Wirbel scheeren. Bemerkenswerth ist es, dass er
erst seit Kurzem von einem Extrem in das andere gefallen ist, denn
gerade die Savrinen haben bis in die neueste Zeit ein Paar lange
geflochtene Zöpfe getragen.
Die Sitte, die Haare im Nacken lang wachsen zu lassen, ist
übrigens bei den istrianischen Ackerbauern ziemlich häufig
[166]
und er lässt dann die langen Haare, lose zusammen gewunden,
über den Nacken nach vorn zu gegen die Brust hängen.
Im Winter sind die Kleiderstoffe von Loden, im Sommer werden die
lodenen Beinkleider abgelegt und leinene oder baumwollene weisse
oder schwarze angezogen. Die Bekleidung des Oberleibes wechselt
ebenfalls nach den Jahreszeiten. Im Sommer geht der Bauer gewöhnlich
in Hemdärmeln auf das Feld. Ueber das Hemd zieht er, wenn es kühler
ist, die bald kürzere, bald längere Juppe an, und wenn es kalt wird,
kommt über die Juppe eine Art Oberrock, mit oder ohne Aermel. Der
Rock hat in der Regel Aufschläge an den Klappen und
Aermeln; bei den Savrinen sind diese meist von rother, bei
den übrigen Istrianern von blauer Farbe. Im Innern von Istrien hat
das Familienhaupt noch dazu einen, meist dunkelbraunen, Mantel mit
blauem Kragen.
Die Hirten, und dies sind vorzüglich die Tschitschen und
Moriachen, tragen in der Regel einen enganschliessenden Anzug aus
Schafwolle, und zwar sowohl im Sommer als im Winter, der auch über
Nacht nicht ausgezogen wird. Dieser Anzug ist sehr zweckmässig, da
er den Körper ebenso gut gegen die kalte Bora, wie gegen den
feuchten Thau schützt und den Temperaturwechsel weniger empfindlich
macht. Die Beinkleider sind von einem weissen, elastischen
Wollenzeuge und reichen, sich wie Tricots an die Beine
enganschliessend, bis an die Knöchel. Der Hosenlatz ist häufig mit
bunten dünnen Lederstreifen zierlich ausgenäht. Um die Mitte des
Leibes schliessen die Beinkleider fest an, so dass Hosenträger oder
Riemen überflüssig sind. Die Fusssocken sind von demselben Zeuge,
gehen nur wenig über die Knöchel und werden oben zugehakt. Die
Beschuhung besteht aus einer Art Sandalen, die aus einem einzigen
Stück roh gegerbten, naturfarbigen Leders verfertigt und mit rothen
Lederstreifen an den Fuss festgeschnürt werden. Ueber das kurze,
grobe Hemd wird die kurze Juppe von braunen Loden angezogen. Der Hut
ist von Filz, breitkrämpig, mit rundem Gupfe und mit einer weiss,
roth und grünen Sammtschnur verziert.
Die Tracht der Fischer ist die gewöhnliche aller Fischer im
adriatischen Golfe, auch an der italienischen Küste. Die hohe, rothe
Mütze macht den Fischer schon von Weitem
kenntlich, [167] eben so der eigentümliche
Schiffermantel aus grober, brauner Schafwollenkotze, deren lange
schwarze Zotteln nach Innen gekehrt sind; er ist mit einer Capuze
vom selben Stoffe versehen, mit rothen Streifen inwendig besetzt und
auch äusserlich, besonders am Rücken, roth verziert. Unter dem
Mantel trägt der Fischer meist nur ein weites grobes Hemd aus
Leinwand, mitunter auch ein farbiges aus Kattun oder Wolle. Das
Beinkleid ist kurz, weit und im Sommer wie im Winter aus einem
blauen Schaf- oder Baumwollenzeug. Die Fussbekleidung besteht aus
dicken, wollenen Socken und Holzschuhen, die ihn vor der Nässe
schützen.
Die Tracht der istrianischen Bäuerinnen ist im Allgemeinen von
der grössten Einfachheit. Sie besteht in einem bis an die obere Wade
reichenden Hemde aus groben Linnen, einem weiten Kaftan, der im
Sommer aus weissem Linnen oder schwarzem Baumwollenzeuge, im Winter
aus braunen Loden besteht, einem Gürtel von breiten, grünen oder
rothen Linnenborten, der mehrmals um den Leib gewunden wird, aus
wollenen Strümpfen und starken Schuhen oder Sandalen. Den Kopf
umhüllt ausser dem Hause ein weisses Tuch, welches jedoch in
verschiedenen Gegenden auf eine sehr mannigfaltige Weise gefaltet
und um den Kopf gelegt oder gewunden wird. Der Stoff ist von Linnen
und nur in der Nähe von Pisino und Triest auch aus Baumwolle. Die
Farbe ist fast immer Weiss, ausser auf den Inseln; doch ist das Tuch
fast nie glatt, sondern es sind häufig Zeichnungen eingewoben, oder
es ist mit Fransen besetzt, und zwischen dem eigentlichen Tuche und
den Fransen ist nicht selten ein Saum von gitterartiger
Schmuckarbeit im Stoffe.
Die verschiedenen Weisen, das Tuch umzulegen, sind unzählig, und
darin besteht auch die ganze Coquetterie der Istrianerinnen, die nur
in dem Tuche ihren guten Geschmack bekunden können; auch machen sie
oft ein tiefes Studium daraus, um es ihrer Individualität
anzupassen. Die eigentliche Istrianerin, in der Gegend von Pisino,
umschlingt sich die Haare mit einem einfachen Wulste, der hinten am
Nacken festgebunden ist; der freie Rest des Tuches hängt über den
Rücken hinunter. Dies ist die wenigst elegante und vortheilhafte
Art, den Kopf aufzuputzen.
[168] Die ernste Morlachin trägt ihr Tuch einförmig
und anspruchslos, der Kopf ist wie unter einem platten Schirm; das
Zeug ist etwas steif und die beiden Zipfel hängen zu beiden Seiten
schlicht herunter.
Die Savrinin trägt ihr Tuch in ähnlicher Weise.
Die Wallachinnen legen das Tuch der Länge nach schmal zusammen
und umschlingen dann das Haupt turbanartig auf eine solche Weise,
dass die meistens dunkel-kastanienbraunen, reichen,
rothdurchflochtenen Haare an einzelnen Stellen zu sehen sind.
Auch in dem Tschitschen-Dorfe Sejane, in welchem sich auch noch
bis heute die ursprüngliche wallachische Sprache dieses Volksstammes
erhalten hat, herrscht noch diese Kopftracht. Die übrigen
Tschitschinnen aber haben die noch im Mittelalter aus Krain
herübergekommene Haube angenommen.
Die italienischen Landleute in den Küstenbezirken unterscheiden
sich in der Tracht sehr von ihren slavischen Nachbarn. Im Sommer
kleiden sie sich meist in Linnen, im Winter in Tuch; die Jungen
tragen lange, die Alten kurze Beinkleider, einen Hut und Schuhe, in
einigen Gegenden auch kurze Halbstiefel.
Die Italienerinnen unterscheiden sich schon dadurch von den
Slavinnen, dass sie entweder gar keine Kopfbedeckung, oder nur den
venetianischen Zendale tragen, der besonders für Kirchengänge
schwarz, bei festlichen Gelegenheiten weiss ist. Auch ihre übrige
Tracht ist von der der Venetianerinnen nicht verschieden.
Die Bewohnerinnen der Stadt Dignano und der benachbarten Dörfer
Gallesano und Valle,
die ebenfalls von Italienern, und zwar aus dem südlichen Theile der
appenninischen Halbinsel, bewohnt sind, unterscheiden sich in ihrer
Tracht auch von den übrigen Italienerinnen Istriens. Das üppige
schwarze Haar wird in weichen Flechten um den Kopf gewunden, welchen
ein schwarzer, breitkrämpiger, rundgupfiger Filzhut, der den Kopf
fast nur in einer Tangente berührt, gegen die Sonnenstrahlen
schützt. Doch wird jetzt dieser Hut im Sommer häufig gegen ein
gestärktes weisses Kopftuch vertauscht.
Son6t
ist das Haar mit silbernen Nadeln
verziert. Das Mieder ist schwarz und lässt vorne das weisse
Brusttuch sehen. Die Aermel sind ein abgesondertes Kleidungsstück,
sie sind anden [169] Achseln
durch rothe Bänder an das Leibchen befestigt, so dass man sie
abnehmen, hängen lassen, oder in gefälliger Weise schürzen kann. Der
Rock ist kurz, schwarz und faltenreich, weisse Strümpfe und niedere,
mit einer rothen Masche geschmückte Schuhe bedecken den Fuss.
Die Peroiesen, welche, wie wir bereits erwähnt, montenegrinischer
Abkunft sind, hatten lange Zeit ihre ursprüngliche Tracht
beibehalten, jetzt kleiden sie sich wie die andern Slaven der
Provinz, mit Ausnahme einer rothen Schnur, mit welcher die Socken
(nazubcze)
gebunden werden, die kaum aus den
Schuhen hervorragen. Ihre Weiber dagegen haben die alte Tracht
beibehalten, und sie sticken ihre Hemden selbst mit seidenen
Zierrathen, besonders die Aermel und das Vorhemd. Die Unterröcke von
blauem oder grünem Tuche sind faltenreich und unten mit zwei bis
drei Reihen roth und gelber breiter Schnüre von Seide und Wolle
besetzt. Ihre kurzen Jacken sind mit gleichen Schnüren verziert,
ebenso die losen Aermel. Als Kopfbedeckung tragen sie ein Tuch,
welches mit gelb-rother Seide gestickt und mit Quasten besetzt ist,
als Schmuck grosse runde Ohrgehänge mit drei Ringen. Um den Hals
tragen sie eine rothe seidene Schnur, an welcher einige Schaumünzen
und Sterne von Metall hängen, die bei jeder Bewegung angenehm
klingen. Den Unterrock bedeckt vorne ein gefärbtes Vortuch von
feinem Cambridge, an der Seite hängt ein farbiges Tuch. Den Fuss
bekleiden Strümpfe aus feiner, weisser Wolle, Schuhe von
Corduanleder mit einer Schleife oder Quaste von rother Seide.
Der griechische Dorfpfarrer oder Pope in Peroi hat noch immer die
Tracht, welche der Clerus der griechisch-serbischen Kirche seit
ältester Zeit angenommen hat. Er trägt einen Talar mit farbigem
Gürtel, einen langen Oberrock, langes Haupthaar und Bart, auf dem
Kopfe ein Scheitelkäppchen
(Calotte)
und einen runden Hut. Ein langer
Stock mit grossem metallenen Knopfe dient als Zeichen seiner Würde.
Die Priester dürfen heirathen, bevor sie die Weihe erhalten haben,
sind sie aber Wittwer geworden, so dürfen sie sich nicht mehr
vereheligen.
Von den früher erwähnten Trachten weichen hin und wieder in
verschiedenen Bezirken die Bewohner ab. Im Bezirke von Capodistria
tragen sie z. B. lange Jacken von Tuch, [170]
kurze Beinkleider und eine schwere Pelzmütze. Im Bezirke von Pirano
besteht die Kleidung der slavischen Landleute aus einem weiten,
kurzen Beinkleide, im Winter von braunem Lodentuche, im Sommer von
weissen Linnen, oder blaufarbigen, leichtem Zeuge, einer lodenen
Jacke mit rothen oder grünen Vorstössen an den Klappen und Aermeln,
weissen oder blauen langen Strümpfen, Schuhen und einer niedern
Filz- oder Tuchmütze ohne Krampe oder Schirm. Originell ist die
Haartracht bei den männlichen Bewohnern der Ortschaften Corte d'Isola,
Padena, Villanova und St. Pietro dell Amata,
welche zur sogenannten Savrinia gehören. Der Savrine nämlich
schneidet die Haare des Hinterhauptes nicht ab, weshalb sie oft bis
zur Kreuzgegend herabwallen, er flechtet sie dann in einen Zopf,
dessen Ende er in die umgestülpte Mütze befestigt. Dagegen werden
die Haare des Vorderkopfes senkrecht über die Stirne gekämmt und
nächst den Brauen in horizontaler Richtung gegen das Ohr abgekürzt,
der Scheitel selbst aber nach Art der Franziscaner-Mönche glatt
ausgeschoren. Doch nimmt diese altherkömmliche Sitte gegenwärtig
bedeutend ab. Im Bezirke von Buje tragen die Bauern häufig schwarze
Filzhüte und ein Oberkleid aus Loden mit einer Capuze. Im Bezirke
von Montona sind bei den Männern wollene, glatt aufliegende Mützen
gebräuchlich, Zöpfe sind nicht selten, die Frauen tragen ein helles,
turbanartig gewundenes Tuch. Die Berkinen im Bezirke von Castelnuovo
tragen ein kurzes Oberröckchen und kurze, bis über die Knie langende
Beinkleider aus weissem Lodentuche und hohe Stiefel. Als
Kopfbedeckung dient ihnen ein runder, breitkrämpiger Filzhut mit
breitem Gupfe. |
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Created: Saturday, January
30, 2016; Last Updated:
Tuesday, March 23, 2021
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